Prof. Wolf-Dieter Narr: Rede auf Thomas Saschenbrecker Berlin, den 26.11.2005 Rede
auf Thomas Saschenbrecker, Und
wie sich versteht, wird diese Rede von einem wahrhaften Narren gehalten,
der sich an das Motto als regulatives Prinzip hält: Das
ist, zum ersten das faszinierend Schwierige und schwierig Faszinierende Das
ist, zum zweitem, das bedrohlich Schützende staatlich fest gesatzten
Rechts, das erst zum Rechtstaat wird, indem ihm überall Gewalt
in notfalls physischer Gewalt zugrunde liegt und wirksam wird im Zwangsgriff
todesdrohend auf den Menschen, staatsgemäß normal nicht voll
frisiert, Dass dieses Zehnbuchstabenwort - "Rechtstaat" -
und seine Walter so tun, als läsen täglich sie kathol´sche
Staatenmesse: Gewalt wird transsubstantiiert: Das
ist, zum dritten, der fortgesetzte Trick, genannt Verrechtlichung menschlichen
Daseins, als würde Zwang ins Rechte transformiert und paragraphenviel
so präzise soßisiert (saucisiert), dass Menschenrechte sind,
und ganz rechtsicher für Bürgerin und männliches Pendant. So ist die edle Praxiswelt der Menschenrechte voll des argen Goodspeak, die schlimme Praxis der Entmündigung im Unterholz. Und nahezu niemand ist firm, ihr zu entrinnen. Das lange Ende bürgerlicher Freiheitssicherung in freier Praxis abweichender Personen im cordon sanitaire verdichteter Sicherheitsagenturen, ob staatlich, of privat gleichviel. * Das
ist der Hintergrund, vor dem die Leistung Thomas Saschenbreckers ihr
Profil gewinnt. Also ging der Bundestag, dahinter wie sich versteht, das Bundesministerium für Justiz und alle möglichen interessenüberbürdeten Lobbygruppen am Anfang des neuen Saeculums und 3. Jahrtausends fortgeschrittener Zivilisation darauf aus, und folgte wenig später von den Ländern vorneweg das große Land der Bremer, das schlimme Rechtsloch ambulanter Zwangsmedikation sogenannt geistig Kranker zu stopfen. Im Bund mit Hilfe eines Zusatzparagraphen zum § 1906 als § 1906a BGB. Der Bundestag und seiner hintersassigen Interessenten taten es rechtsvergessen bis zum einschlägigen BGB, sie hatten das treffliche Urteil des BGH vom 11.10.2000 schon wieder ausgelöscht. Die Bremer folgten 2004/2005, nachdem sie 2002 Zwangsregelungen im ambulanten Bereich noch und zurecht als kropfunnötig und grundrechtswidrig erkannt hatten. Ein Fall, eine mediale Platzpatrone. Und schon waren Parlament und Regierung gewendet. So schnell geht das. Hat man die Vorhaben verfolgt, liest man vor allem Thomas Saschenbreckers ungewöhnlich dicht argumentierende, alle Rechtstaubecken ausleuchtende und aussäubernde Gutachten in Jahresfolge 2004 und 2005, dann werden die Beweggründe offenbar die zu den Vorhaben neuer Zwangsgesetze führten. Dann wird einsichtig, warum wichtig es war und bleibt, auf gesetzliche Vorhaben dieser Art sogleich zu reagieren und rufkräftige Wachsamkeit zur ersten bürgerlichen Tugend zu erheben. Dann wird glücklicherweise auch einsichtig, warum es nicht zuletzt aufgrund von Thomas Saschenbreckers anwaltlicher Tätigkeit und seiner geradezu lückenlos grundrechtlich fundierten Rechtsargumentation gelungen ist, diesen Anschlag der Zwangsvorstellungen zu stoppen. Darin ist auch ein kleiner Funken Hoffnung verborgen. Dass es immer noch genügend Abgeordnete andere Berufspolitiker und Richterinnen/Richter gibt, die die Grundrechte nicht vergebens gelesen haben. Die
Beweggründe der Zwangsgesetzebetreiber waren und sie bleiben verborgen
offen weiter, selbst wenn sie jetzt, glücklicherweise nicht durchdrangen: Saschenbreckers
Leistung bestand und besteht unter anderem darin: Warum
aber verteilen wir heute Abend, mit mir nicht als Preis-, wohl aber
als Mundschenk einen Preis, auch wenn der Preis konstruktiver Subversion
gilt? Der Preis gilt Thomas Saschenbrecker im Namen all der medizinisch-psychiatrischen Gutachter und Therapeuten, weil er sie vor der argen Hybris ihrer indezenten Selbstüberschätzung und ihrem antitherapeutischer Zugriff nach polizeilichen Zwangsmitteln bewahrt. Der Preis gilt Thomas Saschenbrecker im Namen all der Gesetzgeber, weil er sie vor den Folgen ihrer Panik rettet und ihren eigen Kenntnismangel in Sachen Recht, Grundrechte an erste Stelle rückt. Der Preis winkt Thomas Saschenbrecker dafür, dass er um den Kern alles Rechts: die Grundrechte als aktive Rechte der Bürgerinnen und Bürger auch ohne Papiere weiß. Darum schützt er sogar die Exekutive vor sich selbst, vor ihren eigenen Zwangstorheiten. Der Preis ehrt Thomas Saschenbrecker als einen Verfassungsschützer, wenn es denn einen gibt. Grundrechtsfundiert, mit öffentlichen Informationen, öffentlichen Argumenten für die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger. Die Liste all derer, die Thomas Saschenbreckersche Leistungen loben und preisen müssten, ist länger, als Leistungen, die für sie getan sind. Diejenigen sollen ihm am Ende aber zuerst den Preis überreichen, für deren Freiheit, auch und gerade, ihre Gesundheit selbst zu bestimmen, er sich am meisten verdient gemacht hat. Und also sind wir ihm alle dankbar. In Zeiten der Entwicklung hin zur prädiktiven Medizin, in Zeiten, da an Stelle der ohnehin als Bürgerin nicht beachteten Patientin, eine elektronische Gesundheitskarte tritt, "gesund" für einen riesigen Gesundheitssicherungskomplex, in solchen Zeiten ist das was Thomas Saschenbrecker gegen psychiatrischen Zwang geleistet hat, wider den Zwang zur Gesundheit, forced to be healthy and free, nicht zu überschätzen. Eine Bresche, die es zu halten, zu verteidigen, zu weiten gilt. Bevor
ich nun endlich den Preis übergebe, ein Symbol in den herrschenden
Werten bescheidener Art und doch imaginativ kaum zu ergründen,
muss ich und will ich einen letzten Preisanlass nennen, dessen ich erst
spät inne geworden bin. Thomas Saschenbrecker ist, wie mir Rene Talbot entdeckte, am 8.12.1965 in Lübeck geboren. Ich habe also die außerordentliche Freude, Thomas Saschenbrecker einige Tage zu früh für sein Übergleiten ins Schwabenalter zu gratulieren. Im Schwabenland, das weiß er vielleicht zwischenzeitlich, obwohl er auf der Badenser Seite lebt, im Schwabenland wird man erst mit 40ig Jahren richtig gescheit. Thomas Saschenbrecker, das zeigen seine Rechtstaten der letzten Jahre war unüblich schon vorher ziemlich gescheit. Der Sprung zum noch Gescheiteren soll ihn aber nicht, was möglicherweise die bürgerlichen Schwaben damit verbanden, brav im festen Wams seines Berufes politisch durchgehend korrekt werden lassen. Im Gegenteil: ich heiße ihn im Klub derjenigen besonders willkommen, die ob der herrschaftlichen Dummheiten ihren Humor nicht und nie verlieren, die am Ende all den gewalttätigen Herrschaftsblödsinn weglachen. Dass der "Dadaismus und postmoderne Existentialismus" "zu ihrem Ziel gekommen" seien, wie Thomas Saschenbrecker und Rene Talbot in einem hoffentlich geradezu massenwirksamen Ratschlagspapier zur "Vorsorgevollmacht" schreiben, mag man füglich bezweifeln. Ohne ein kräftiges anarchistisches und lachenvolltolles Element inmitten unseres nie bierigen Ernstes, werden wir diese Zeiten der immer weiter ausgepackten Albträume der Vernunft kaum überstehen. |
2002
erster Freiheitspreis für Thomas Szasz
2010
dritter Freiheitspreis für Wolf-Dieter Narr