Hans Prinzhorn - ein Nazi-Ideologe pathologisiert die KunstDie Rede wurde am 8. August 1999 gehalten
© rené talbot
von René Talbot
In der Diskussion um sog. "Wahn und Kunst" wird bisher der Psychiater Hans Prinzhorn gerne als der Protagonist zitiert, der entdeckt haben soll, daß sogar in den Irrenhäusern Kunst geschaffen werde. Diese Aussage ist ja schon in sich diskriminierend, da sie die Möglichkeit impliziert, daß Menschen als Irre denunziert, eben zu solchen Leistungen genau nicht in der Lage sein könnten. Tatsächlich war Hans Prinzhorn ein wesentlicher Wegbereiter des ideologischen Umfelds, das in Gaskammermassenmorden und "medizinischen" Menschenversuchen seinen konsequenten Höhepunkt fand.
Dies ist ein schwerer Vorwurf, der einer Klärung bedarf. Ich will mit dem einfachsten Teil beginnen, dem Nachweis daß Hans Prinzhorn ein Nazi Ideologe war, und Hans Prinzhorn selbst zu Wort kommen lassen:
Dem "Judenproblem", demgegenüber gibt er zu bedenken: "Nur was man vernichten oder versklaven kann, muss Schmähungen erdulden"
Der Titel eines seiner Aufsätze: "Gemeinschaft und Führertum. Ansatz einer biozentrischen Gemeinschaftstheorie", "vollständigen Theorie der Gemeinschaft" "Urbild des Führermenschen". Das "Schicksal" dieses prometheischen Führers" - so spricht er von Hitler - sei es, "innerhalb seiner Gruppe auf Grund neuer Erkenntnisse und Ziele die Gemeinschaft zu zersprangen und den Keim zu einer neuen Gemeinschaftsform zu legen".
Voll Begeisterung: "Sprecht mit allen Menschen vom Nationalsozialismus. Ihr werdet die Art seiner Verbundenheit mit dem deutschen Schicksal sogleich erkennen".
In der "Psychotherapie" noch hatte er die "faschistische Form einer "Ethik der mächtigen Masse" der negativ bewerteten "amerikanischen" gegenüber und der bolschewistischen" gleichgestellt.
"Idealbild" eines Übermenschen Arztes, der imstande sein solle, "der ganzen Gesellschaft ein Wohltäter zu werden." Dies hat Frau Professor Treusch-Dieter gestern als die Nazi spezifische Wende charakterisiert.
Er empfiehlt jedoch gegen "die rasend schnelle, in kaum zwei Generationen geschehene Überflutung mit jüdischem Geist" statt Kampf überzeugendere Selbstdarstellung, "in Werk und Tat nämlich die dem Judentum unbequemen arischen Eigenwerte auf so hohem Niveau zum Ausdruck zu bringen, daß nur offensichtig tendenziöse Gehässigkeit noch Angriffspunkte findet".
Für einen vollständigen Überblick der LTI bzw. Nazi Sprache von Hans Prinzhorn empfehle ich das Buch von Thomas Röske "Der Arzt als Künstler", dem ich die Zitate entnommen habe.
Diese Äußerungen sind eine typische Essenz dessen, was ihm bekannt gemacht hat: die Plünderung der künstlerischen Werke psychiatrisierter Menschen für die Gründung eines psychopathologischen Museums. Dabei nutzte er die entrechtete Situation dieser Menschen schamlos aus - eingesperrt und entmündigt raubt er ihnen noch das letzte, was ihnen als Urhebern gehörte, ihre künstlerischen Werke. In der selbstverständlichen Arroganz einer kolonialen Macht, gelten für sie keine Gesetze mehr - statt wenigstens ein schriftliches Einverständnis der Vormünder der Psychiatrisierten einzuholen, werden die Werke einfach von den Herrschern in den Kliniken, den Ärzten, beschlagnahmt, beziehungsweise das Abhängigkeitsverhältniss eines gefangen gehaltenen Patienten ausgenutzt, um sich die Werke angeblich "schenken" zu lassen. Keines von beiden hat zu einem Eigentumsübergang geführt, da es sich um einen bösgläubigen Erwerb gehandelt hat. Die Expertise von dem Spezialisten in Urheberrechtsfragen Prof. Raue, wird inzwischen sogar von Kulturminister Dr. Michael Naumann anerkannt. Diese Tatsache ist allerdings den Diskutanten von "Kunst und Wahn" noch nie aufgefallen, und sie wird auch weiterhin von der Psychiatrie versucht totzuschweigen.
Für Hans Prinzhorn bzw. die Institution, in deren Auftrag er handelt, als auch für die Ärzte, die als Komplizen in den vielen anderen Anstalten, die an dem Raubzug beteiligt sind, kommen die Künstler als rechtliche Subjekte nicht vor. Dies zeigt sich auch besonders deutlich an dem Blick, den Prinzhorn auf die Werke in seinem Buch "Bildnerei der Geisteskranken" dokumentiert. Frau Petra Storch hat ihn für das inhaltliche Konzept des "Haus des Eigensinns" - Museum der Wahnsinnigen Schönheit beschrieben:
„Nun soll die psychiatrische Haltung, welche Prinzhorn den Patienten gegenüber einnimmt, näher betrachtet werden. Diese ist geprägt von kühler Distanz des Beobachters zu seinem Objekt, welches nicht als Mensch interessant ist, sondern als Träger eines forschungsrelevanten psychopathologischen Syndroms. Schon der Stil des Autors macht dies deutlich, dort, wo er z. B. von einem "besonders hübsch(en)"7 Beispiel für das Symptom der Kontamination spricht. Wahnsinn ist für Prinzhorn äquivalent mit autistischer, völlig subjektiver Weltabgewandheit, welche vom Arzt in geradezu zoologischer Manier begutachtet wird. Prinzhorn nähert sich dem Wahnsinn ohne Mitgefühl. Diese Sichtweise degradiert den Wahnsinn zu bloßer somatischer Äußerung, jeglicher Kommunikationscharakter ist ihm von vornherein abgesprochen."
Diese Sichtweise hat Primo Levi am besten mit "Aquariumblick" beschreiben:
In seinem Buch "Ist das ein Mensch" beschreibt Primo Levi, wie er von Dr. Pannwitz, Chef den chemischen Abteilung von Ausschwitz, ausgefragt wird. Levi war Chemiker von Beruf. Eine Arbeit der chemischen Abteilung könnte ihn vielleicht vor der Vernichtung bewahren. Als er in seiner KZ-Uniform auf der andere Seite des Schreibtisches stand, sah Dr. Pannwitz ihn an, als blicke er auf einen Fisch im Aquarium. So war Primo Levi noch nie von jemandem angesehen worden - und er hat die Bedeutung dieses Blickes nie vergessen.
Eine Geschichte der moralischen Phantasie unserer Zeit hätte die Entstehungsgeschichte dieses "Aquarium-Blickes" des Dr. Pannwitz zu liefern. Hier fand eine Begegnung zweier Menschen statt, als sei sie die zweier Gattungen.
Hans Prinzhorns Sichtweise ist begründet in seinem biologistischen Modell des Geistes, das die medizinisch - psychiatrische Herrschaft manifestieren soll und damit eine rassistisch - psychiatrische Ideologisierung von Kunst als Akt der Kolonialisierung von "Wahnsinn" zum Ziel hat. Das ideologische Konzept findet seinen philosophische Kontext in einer biologistisch verengten Interpretation von Nietzsche - ich zitiere Hans Prinzhorn "Nietzsche und das XX.Jahrhundert" - laut Prinzhorn „über die Psychologie bei Nietzsche":
Seite 38 dieser Schrift: zum Übergang von der statischen zur dynamischen Auffassung vom Menschen: „so bleibt nichts übrig von der Person, als ein Kreuzpunkt zahlreicher wirkender Instanzen, unter denen am wichtigsten jene Kräfte sind, die aus dem Blut auf dem Erbwege von fernher sich noch
durchsetzen, während das Individuum sich einredet, aus bewußten Motiven zu handeln."
und Seite 40:
„Wenn wirklich das Leben in der Natur und Geschichte sein großes Geheimnis preisgegeben hatte - wenn wirklich das einzig Bleibende im bunten Wechsel der „Kampf ums Dasein", das „Recht des Stärkeren" war: dann mußte es doch möglich sein, aus solcher Erkenntnis endlich einmal radikal die Folgerung zu ziehen und die Entwicklung des Menschen planvoll zu lenken, wie der Pflanzen- und Tierzüchter seine Rassen in geduldiger Bemühung planvoll züchtet. Aus dieser großen Wendung Nietzsches zum Propheten eines neuen, höheren Menschentums entspringt abermals ein ganz tiefer Impuls, sich der seelischen Untergründe, der Antriebe, der wahren Ziele des menschlichen Denkens, Fühlens und Handelns zu bemächtigen."
Auf Seite 59 dann der Clou:
„Moral ist eine Wichtigtuerei des Menschen vor der Natur"
Was bleibt einem da noch anderes als zu kommentieren: Wohlan zum munteren Sichten und Vernichten, Hans Prinzhorn?
Womit wir beim zweiten Teil des Vortrags angelangt sind:
Den Folgen einer Logik der Pathologisierung von Kunst, auch wenn Hans Prinzhorn selber die Radikalisierung in seinem Sinne nicht mehr miterlebte, da er noch vor dem Regierungsantritt der Nazis 1933 verstarb.
Der Nachfolger seines früheren Vorgesetzten, Prof. Carl Schneider, hatte die pathologisierende Logik von Hans Prinzhorn nur konsequent ihres romantisierenden "Ballast"-Anteils" entkleidet und er hatte damit sein Modell der angeblich "entarteten" Kunst in der Hand,
nachzulesen in Carl Schneiders Beitrag zum Archiv der Psychiatrie 1939 (Band 110): "Entartete Kunst und Irrenkunst"
Dieses Modell war hilfreich um zweierlei zu erreichen:
A) Es diente zur Durchsetzung der Ideologie eines angeblich "entarteten" Menschen. Denn wenn die Werke von Psychiatrisierten als Referenz zum Nachweis der "Entartedheit" von moderner Kunst hinzugezogen werden, ist implizit vorausgesetzt, daß die Irrenhäusler "Entartete" sind, was ja nur eine Verschärfung der Rhetorik ist, wenn vom kranken Geist der Irrenhäusler gesprochen wurde; so bereitete diese Ideologie und Rhetorik dem Gaskammermorden den Weg - das zivilisatorisch/moralische Grundprinzip, "du sollst nicht Morden" konnte gegenüber angeblich "Entartetem" - also nur Fleisch, nicht menschliches und damit rechtliches Subjekt in der Gesellschaft, verleugnet werden.
b) Pathologisierte Kunst sollte zur Vorbereitung einer ästhetischen Gleichschaltung und "Bereinigung" dienen: bei einem Sieg der Nazis wären in ganz Europa die Künstler der Moderne den Irren in die Gaskammer gefolgt. Ihre Kunst sollte nur als Beispiel ihrer Unter-menschlichkeit erhalten bleiben, sozusagen als eine Peepshow einer ausgestorben gemachten Spezie.
Wir erinnern uns an die menschenzüchtenden Träume Hans Prinzhorns.
Wie sieht es nun heute aus?
Alles eine Geschichte, die sich auf dem Nazi Mars zugetragen hat?
Die Heidelberger Universitätspsychiatrie ist die Verwalterin der bösgläubig erworbenen Kunst der sog. Prinzhornsammlung. Sie konnte darum NIE Eigentum an den Werken erwerben.
Ihre Interpretation der Werke ist allerdings bis heute, trotz allem rhetorischen Leugnen, implizit dem Kontext einer Ideologie der "entarteten Kunst" verhaftet geblieben: Das wird überdeutlich in ihren Katalogen in denen sich unverändert der Aquariumsblick ihres Apologethen Prinzhorn
widerspiegelt:
Sehen Sie sich diese Beispiele aus ihrem letzten Katalog an:
siehe Internet:
www.psychiatrie-erfahren.de/eigensinn/museumneu/galerie.htm
Dieses Werk hat die Diagnose Paranoid. Jenes Schizophrenie.
Bis heute werden die Werke nicht identifizierter Künstler mit Wörtern wie "Schizophrenie", "Paranoia", "degenerativer Schwachsinn" usw. diffamiert.
Ein Künstler ist namentlich unbekannt, er/sie ist als Person verschwunden, nur ein diagnostischer Fall, wie er von der psychiatrischen Profession vor Jahren geschaffen wurde, zählt und ist erwähnenswert.
Es gibt nur eine Schlußfolgerung: dieses Werk ist schizophren, jenes eine Paranoia.
Wie hat inzwischen die Heidelberger Psychiatrie auf die Forderung nach Herausgabe oder doch zumindest auf vorrangige und autonome Auswahl von 400 wechselnden Bildern aus der Sammlung für das "Haus des Eigensinns" reagiert? Selbst der zur Universität als Professor gehörende Bischof Wolfgang Huber hat in einem Gespräch darüber nur die eiskalte Schulter gezeigt bekommen.
Denn, nun kommt der zynische Teil des Umgangs der Universitätspsychiatrie, sie will mit den Bildern den früheren Hörsaal der Psychiatrie dekorieren. Laut Vorlesungsverzeichnis hat Carl Schneider - der T4 Oberpsychiater - dort gelehrt.
Um es mal plastisch auszumalen, ohne den Beweis in jedem Detail antreten zu können: Carl Schneider reiste durch Deutschland, um sich die "Objekte" für seine medizinische "Forschung" auszusuchen. Diese Menschen wurden nach Heidelberg gebracht, wahrscheinlich in dem Hörsaal vorgeführt, dann zur Ermordung nach Eichberg gebracht. Mord auf Bestellung und um die Opfer anschließend auszuwaiden.
Wir erinnern uns des Aquariumblicks. Die entnommenen Hirne wurden wieder nach Heidelberg zurückgebracht und dort "nach Scheiderscher Methode" im Formalin den Studenten vorgeführt. Geht es noch obzöner, in diesem Raum die Werke Psychiatrisierter ausstellen zu wollen?
Das ist das Maximale an Verhöhnung von Opfern, die ich mir vorstellen kann.